Bundesverfassungsgericht zur Fixierung von Psychiatriepatienten
Die Fixierung von Patienten stellt einen Eingriff in deren Grundrecht auf Freiheit der Person dar. Bei einer nicht nur kurzfristigen Fixierung sämtlicher Gliedmaßen – länger als eine halbe Stunde – handelt es sich um eine Freiheitsentziehung, für die Art. 104 Abs. 2 GG den weiteren, verfahrensrechtlichen Vorbehalt einer richterlichen Entscheidung vorsieht. Diese Maßnahme ist auch im Rahmen eines bereits bestehenden Freiheitsentziehungsverhältnisses als eigenständige Freiheitsentziehung zu qualifizieren, die den Richtervorbehalt abermals auslöst, von einer richterlichen Unterbringungsanordnung also nicht gedeckt ist. Daher ist Gesetzgeber aufgefordert, verfahrensrechtliche Bestimmungen für die richterliche Anordnung freiheitsentziehender Fixierungen zu treffen.
Verhandelt wurden zwei Fälle aus Bayern und Baden-Württemberg, in denen Patienten mehrere Stunden an Armen, Beinen und Bauch, bzw. an Armen, Beinen, Bauch, Brust und Stirn fixiert wurden. Die Verfassunsbeschwerden waren erfolgreich. Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat mit dem heute verkündetem Urteil die einschlägige Vorschrift des Landes Baden-Württemberg für verfassungswidrig erklärt und bestimmt, dass der baden-württembergische und der bayerische Gesetzgeber – der bislang keine spezielle Rechtsgrundlage für Fixierungen erlassen hat – verpflichtet sind, bis zum 30. Juni 2019 einen verfassungsgemäßen Zustand herbeizuführen.
Sollte es nicht möglich sein, rechtzeitig eine richterliche Entscheidung einzuholen, wenn etwa akute Selbstmordgefahr besteht, so muss die Entscheidung unverzüglich nachgeholt werden. Das Tatbestandsmerkmal „unverzüglich“ ist dahin auszulegen, dass die richterliche Entscheidung ohne jede Verzögerung, die sich nicht aus sachlichen Gründen rechtfertigen lässt, nachgeholt werden muss. Um den Schutz des Betroffenen sicherzustellen, bedarf es in diesem Zusammenhang eines täglichen richterlichen Bereitschaftsdienstes, der den Zeitraum von 6:00 Uhr bis 21:00 Uhr abdeckt.
Quelle: Bundesverfassungsgericht
Abbildung: Hindrichs/Fährmann