08.10.2018

Häusliche Krankenpflege in Einrichtungen der Eingliederungshilfe

Bisher hatten stationäre Einrichtungen der Behindertenhilfe oft das Problem, dass die Finanzierung der häuslichen Krankenpflege bei erkrankten Bewohnern ungeklärt war. Grund dafür ist, dass im § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB V über den Anspruch auf häusliche Krankenpflege stationäre Einrichtungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nicht ausdrücklich als “ geeigneter Ort“ aufgelistet sind. Als Beispiel für „geeignete Orte“ der häusliche Krankenpflege sind dort neben Haushalt und Familie auch betreute Wohnformen, Schulen, Kindergärten und Werkstätten für Behinderte aufgeführt.

Klarstellung im Pflegestärkungsgesetz zum 1.1.2017

Im Rahmen des PSG III wurde Satz 8 in § 37 Abs. 2 SGB V angefügt, der mehr rechtliche Klarheit schaffen soll:
Versicherte erhalten in stationären Einrichtungen Leistungen der häuslichen Krankenpflege, wenn der Bedarf an Behandlungspflege eine ständige Überwachung und Versorgung durch eine qualifizierte Pflegefachkraft erfordert. Dies soll zusätzlich zur bisherigen Praxis auf der Basis der Rechtsprechung des BSG gelten, wonach häusliche Krankenpflege nach dem SGB V auch in Behindertenhilfeeinrichtungen übernommen wird, solange es sich nicht um einfachste Maßnahmen handelt oder die Leistung bereits durch entsprechende Verträge mit dem Eingliederungshilfeträger abgegolten wurde (§ 37 Abs. 2 Satz 8 SGB V).

Häusliche Krankenpflege Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschuss

Der Gemeinsame Bundesausschuss hat nun die Häusliche Krankenpflege-Richtlinie konkretisiert und näher bestimmt, in welchen Fällen behinderte Menschen in Einrichtungen oder Werkstätten (nach § 43a SGB XI) künftig Anspruch auf Behandlungspflege haben. Die veränderte Richtlinie liegt derzeit dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) zur Prüfung vor. Sie tritt nach Prüfung und Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft.

Nach der bisherigen geltenden Fassung der HKP-RL wird der Anspruch auf Häusliche Krankenpflege an einen regelmäßig wiederkehrenden Aufenthalt des Versicherten an den entsprechenden Ort geknüpft sowie daran, ob die verordneten Maßnahmen dort zuverlässig und unter geeigneten räumlichen Bedingungen durchgeführt werden können. Aufgrund der Anfügung des § 37 Absatz 2 Satz 8 SGB V besteht nun ein Anpassungsbedarf in der HKP-RL.

Einfachste Maßnahmen der medizinischen Behandlungspflege

Aufgrund der Gesetzesbegründung zu § 37 Absatz 2 Satz 8 SGB V (BT Drucksache 18/10510) sowie der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BSG, Urteil vom 22. April 2015, Az.: B 3 KR 16/14 R) müssen Einrichtungen im Sinne von § 43a SGB XI die erforderlichen sogenannten „einfachsten“ Maßnahmen der medizinischen Behandlungspflege regelmäßig mit eigenem Personal erbringen. Sofern zum Zeitpunkt der Verordnung keine expliziten Hinweise vorliegen, dass die Einrichtung die Maßnahmen nicht mit eigenem Personal erbringen kann, kann die verordnende Ärztin/der verordnende Arzt davon ausgehen, dass die Einrichtung die einfachsten Maßnahmen der Behandlungspflege erbringt. Zu den sog. „einfachsten Maßnahmen“ der medizinischen Behandlungspflege gehören nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung Leistungen, die für Versicherte im eigenen Haushalt grundsätzlich von jedem erwachsenen Haushaltsangehörigen erbracht werden könnten. Einfachste Maßnahmen sind somit solche, die ohne medizinische Vorkenntnisse und Fertigkeiten von Laien erbracht werden können und nicht mit nennenswerten Infektions- oder Verletzungsgefahren verbunden sind. Diese fallen damit regelmäßig in den Aufgabenbereich stationärer Einrichtungen der Behindertenhilfe. Insoweit besteht kein Anspruch auf häusliche Krankenpflege. Danach verläuft die Grenze der von einer Einrichtung geschuldeten Leistungen genau dort, wo diese vom Personal der Einrichtung der Eingliederungshilfe erbracht werden können und müssen. Dazu gehört beispielhaft die regelmäßige Gabe von Tabletten nach ärztlicher Anweisung, das Messen des Blutdrucks oder des Blutzuckergehalts, das An- und Ablegen einfach zu handhabender Stützverbände, das Einreiben mit Salben (soweit es sich nicht um schwierige Wundversorgung handelt), die Verabreichung von Bädern u. ä.

Weitergehende Behandlung nur, wenn vertraglich festgelegt

Darüber hinaus müssen die Einrichtungen im Sinne von § 43a SGB XI auch weitergehende Maßnahmen der medizinischen Behandlungspflege mit eigenem Personal erbringen, sofern sich dies aus ihren Verträgen, ihrer Leistungsbeschreibung, ihrem Aufgabenspektrum auch unter Berücksichtigung ihrer Zielgruppe und ihrer sächlichen und personellen Ausstattung ergibt.  Einrichtungen im Sinne von § 43a SGB XI sind jedoch nicht zur Erbringung von behandlungspflegerischen Maßnahmen verpflichtet, wenn insoweit ein besonders hoher Bedarf an medizinischer Behandlungspflege vorliegt, der die ständige Überwachung und Versorgung durch eine qualifizierte Pflegefachkraft im Sinne der gesetzlichen Regelung des § 37 Absatz 2 Satz 8 SGB V erfordert.

Quellen: Gemeinsamer Bundesausschuss, Bundessozialgericht, Solex

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